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Kulturgeschichte

Das Wissen der Handwerksmüller:innen – Eintragung in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich

Seit tausenden von Jahren ist Getreide die Grundlage unserer Ernährung und die Basis für die Nutztierhaltung. Die soziale und kulturelle Bedeutung von Handwerksmüller:innen spiegelt sich besonders auf regionaler Ebene wieder.

Auch wenn das Arbeiten mit traditionellen Müllereimaschinen zur Herstellung von Mühlenprodukten, wie das Mahlen mit Mühlsteinen, in der heutigen Arbeitspraxis nur noch in einigen wenigen Handwerksmühlen vertreten ist, beinhaltet das Wissen der Handwerkmüller:innen nach wie vor viel Übung und Erfahrung, Freude am Experimentieren und beispielloses technisches Wissen, um die verschiedene Getreidesorten zu Mehl, grobem Schrot, Vollkornmahlerzeugnissen oder Ölen zu verarbeiten und weiter z.B. zu Frühstücksflocken und Müsli zu veredeln.

Hier erfahren Sie mehr: Das Wissen der Handwerksmüller*innen – Österreichische UNESCO-Kommission

Die Macht des Brotes

Brot ist ein Grundnahrungsmittel – gleichzeitig aber auch weit mehr als das. In alten Zeiten hat es nicht nur für die Ernährung des Menschen sondern auch für dessen kulturelle Entwicklung eine bedeutende Rolle gespielt. Als Jäger und Sammler sesshaft wurden, begannen sie Ackerbau zu betreiben.

Von Hirse bis Mais

Für die rasch wachsende Bevölkerung wurde Getreide die natürliche Nahrungsgrundlage, da es auf relativ kleiner Fläche gute Erträge brachte und in fast allen Klimazonen gut gedieh.

Sechs Getreidearten waren es, die seit der Urzeit den Menschen hauptsächlich ernährt haben: Hirse, Hafer, Gerste, Reis, Weizen und ab dem späteren Altertum dann auch der Roggen. Mit der Entdeckung Amerikas kam der indianische Mais dazu.

Getreide – Gold der Erde

Bis heute sind diese Getreidearten ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Ernährung. Um die Kornkammern und Getreideanbaugebiete wurden im Laufe der Jahrtausende mehr Kriege geführt als um Gold. Missernten bedeuten bis in die heutige Zeit für die Betroffenen Hunger, Elend und Not. Getreideüberschuss und Getreidemangel prägten die Weltpolitik entscheidend mit.

Die ältesten Zubereitungsarten von Getreide sind der Brei und der Fladen. Viele Menschen in Entwicklungsländern nehmen noch heute Getreide in Breiform zu sich (z.B. Hirsebrei in Afrika).

Zufallsprodukt Sauerteig

Vor ca. 2000 Jahren begannen die Ägypter Brot zu backen. Durch Zufall entstand der Sauerteig. Ein liegen gelassenes Stück Teig für die Fladenbrotherstellung war in Gärung übergegangen und wurde trotzdem gebacken. Das Gebackene war nicht verdorben, sondern von innen her durch viele kleine Gasbläschen porig aufgelockert und daher besser kaubar. Von den anderen antiken Völkern wurden die Ägypter damals – wie Hektaios von Milet um 500 v.Ch. berichtet – die „Brotesser“ genannt.

Das Volk Israel lernte im Kontakt mit den Ägyptern das „moderne“ Brot kennen und schätzen. In vielen Bibelstellen wird darüber im Detail berichtet.

Die Macht der Kornkammern

Über Israel kam die Kunst des Brotbackens nach Europa – zuerst zu den Römern. Anbau und Nutzung des Getreides waren für Rom wesentlich beim Aufstieg zum Weltreich. Eine verfehlte Agrarpolitik trug später entscheidend zum Niedergang des Römischen Reiches bei: Aufgrund zunehmender Latifundienwirtschaft, die sich auf die profitablere Viehzucht stützte, wurde Rom von den Getreideeinfuhren aus den Ländern Sizilien, Nordafrika und Spanien – den eigentlichen „Kornkammern“ – abhängig. Mit dem Verlust dieser Provinzen versiegte auch die Macht und die Widerstandskraft dieses Weltreiches.

Barbaren fielen in das Römerreich ein und waren aus Mangel an Vieh und Weideflächen gezwungen, von Viehzucht auf Ackerbau umzustellen.

Einige nomadische Völker sträubten sich jahrhundertelang gegen Sesshaftigkeit. Die Angst vor dem Hunger und der immer stärker werdende Einfluss des Christentums brachten es fertig, sie zu Landwirten zu machen.
Diese Entwicklung führte in Mitteleuropa zur heutigen Form der Agrarwirtschaft.

Die Eignung des Getreidekornes zur Vorratsbildung und als Zahlungsmittel ist auf seine lange Haltbarkeit zurückzuführen.

Getreide als Zahlungsmittel

Die Getreidekörner dienten in ältesten Zeiten vielfach als Normgewichte. Es entstand der Begriff des Karats, das noch heute für Edelmetalle und Diamanten als Gewichtseinheit verwendet wird. Ein „Karat“ entsprach drei Gersten- oder vier Weizenkörnern. Ein „Gran“ war gleich dem Gewicht eines Gerstenkornes. Getreide war somit das Zahlungsmittel alter Kulturen und hat diese Funktion lange beibehalten. Noch im Jahre 1500 n. Ch. mussten die Gastwirte im deutschen Raum Getreide als Zahlungsmittel annehmen.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland der Grundzins und die Steuern sowie die Löhne an Fuhrleute, Hirten und Schmiede meist in Form von Getreide bezahlt. In großen Gebieten Mitteleuropas erfolgte erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Umwandlung der Naturalsteuern in Geldabgaben.

In Österreich wurden bis 1848 die Abgaben der leibeigenen Bauern an die Grundherrn in Form eines Zehntels des landwirtschaftlichen Ertrages (Zehent oder Zehnt) geleistet.

Steigende Vielfalt

Das wachsende Ernährungsbewusstsein der Österreicher führte zu einem differenzierteren Sortenangebot bei Brot und Gebäck. Waren es bis vor 30 Jahren nur rund 19, so gibt es heute in Österreich rund 150 verschiedene Brot- und Gebäcksorten! Tendenz steigend.